Mit dem Gedicht Was gesagt werden muss löste Günter Grass 2012 einen Skandal aus, indem er erstens behauptete, Israel gefährde den Weltfrieden mit seinen Drohungen gegen Iran und zweitens er habe diese Ansicht aus Angst, als Antisemit zu gelten, bisher verschwiegen. Gerade dies aber geschah : Die meisten der etablierten Kommentatoren verurteilten seine Argumente und beschuldigten ihn des Antisemitismus. Die Affäre wirft jedoch Fragen auf : 1. über die Eile, mit der Grass’ pazifistisches Motiv übergangen wurde ; 2. über die Selbstverständlichkeit, mit der er als Antisemit angeprangert wurde; 3. über den Versuch, die Debatte auf eine causa Grass einzugrenzen. Man kann nämlich feststellen, dass die damalige Lage dem Pazifisten Grass Grund zur Einmischung bot ; dass der Antisemitismus-Vorwurf, zwar durch Grass’ Schwierigkeiten mit der Vergangenheit genährt (zumal seit der Enthüllung von 2006 zur Waffen-SS), auch auf einer Rhetorik des Verdachts beruht ; und schließlich, dass Grass nicht isoliert war, sondern die Zustimmung einer großen Mehrheit gefunden hat. Die demonstrative Einstimmigkeit der Medien in dem Bestreben, Grass zu verurteilen und die Zustimmung in der Bevölkerung zu ignorieren, hat zwar der Imagepflege der Bundesrepublik gedient, die eigentliche Debatte aber öffentlich fast ausgeschaltet und einen Graben zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung aufgezeigt.

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